Festakt 50 Jahre Technisches Gymnasium

Nach dem unser Schulleiter, Herr Oberstudiendirektor K.W. Mollweide die Gäste in der Aula der Schule begrüßt hat und in seiner Rede auf die Wichtigkeit des Technischen Gymnasiums hingewiesen hat, richteten Herr RSD Martin Müller vom Regierungspräsidium Freiburg und Herr Amtsleiter Hermann Maier Grußworte an die Anwesenden. Auch Sie betonten beide die Verdienste dieser Schulart, die aus der Schullandschaft nicht mehr wegzudenken ist.
Anschließend sprach Herr Sebastian Barth, der Leiter des Technischen Gymnasiums, der diese Schulart seit Jahren mit viel Herzblut leitet und sich unablässlich für deren Belange einsetzt.
Als Gastreferentin konnten wir die Sozialhistorikerin Frau Dr. Annemarie Conradt-Mach gewinnen, sie war Schulleiterin der Feinwerktechnik-Schule in Villingen Schwenningen.
Sie zeigte die Geschichte der Technischen Gymnasien auf:
Als „Deutsche Bildungskatastrophe“ bezeichnete der Freiburger Lehrer und Schulleiter Georg Picht die Situation und diagnostizierte einen „Bildungsnotstand“, dem nur mit sofortigem entschlossenem Handeln begegnet werden könne. Seine düstere Prognose aus dem Jahr 1964 lautete:
„Der bisherige wirtschaftliche Aufschwung wird ein rasches Ende nehmen, wenn uns die qualifizierten Nachwuchskräfte fehlen, ohne die im technischen Zeitalter kein Produktionssystem etwas leisten kann. Wenn das Bildungswesen versagt, ist die ganze Gesellschaft in ihrem Bestand bedroht.“
Mehr Investitionen in die Bildung, Ausbau der Gymnasien und Hochschulen, mehr und besser qualifizierte Lehrer – diese Forderungen sind auch heute noch populär. Wegweisend für die Reform des Schulsystems in Baden-Württemberg aber war die Forderung nach einer Verdoppelung der Abiturientenzahlen, umsetzbar mit Hilfe von Reformen, die eine „Durchlässigkeit“ des dreigliedrigen Schulsystems garantieren.
Tatsächlich war die Anzahl der Abiturienten in der damaligen Bundesrepublik mit 6,8% im Vergleich zu anderen europäischen Ländern (Schweden 22%, Frankreich 19%, Österreich 14%, Italien 12,5%) auffallend gering. Als eine Ursache hierfür schälte sich das starre dreigliedrige Bildungssystem heraus, das Zehnjährige in die Kategorien Haupt-, Real- und Gymnasialschüler zwang, in denen sie in aller Regel auch blieben. Auffallend hierbei war das soziale und regionale „Bildungsgefälle“ – Arbeiterkinder suchte man auf den Gymnasien vergeblich und in ländlichen Regionen war der Besuch eines Gymnasiums deutlich seltener als in städtischen: So besuchten 1965 im Kreis Waldshut nur 11,7% eines Jahrgangs ein Gymnasium, in Freiburg hingegen immerhin 34%.
Auf die Kritik am dreigliedrigen Schulsystem und den ungleichen Bildungschancen reagierten einige Bundesländer mit der Einführung von Gesamtschulen. Baden-Württemberg ging einen anderen Weg: Mit einem neuen Schultyp – dem Beruflichen Gymnasium – sollte das Bildungssystem durchlässiger werden und begabten Real- und Hauptschülern der Weg zum Abitur eröffnet werden. Dieser neue Schultyp wurde den beruflichen Schulen angegliedert, um die Kluft zwischen den damaligen Bildungsvorstellungen und der Arbeitswelt zu überwinden. „Kein Abschluss ohne Anschluss“ wurde zur Maßgabe der bildungspolitischen Reformen in Baden-Württemberg.
Um den hohen Bedarf an zukünftigen Ingenieuren zu decken, eröffneten mit Beginn des Schuljahres 1967/68 in Stuttgart, Freiburg und Schwenningen drei Berufliche Gymnasien mit dem Profilfach Maschinenbau und Elektrotechnik – das war die Geburtsstunde des Technischen Gymnasiums.
In Freiburg wurde das Technische Gymnasium der „Gewerbeschule III“ angegliedert, die 1987 den Namen Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule erhielt.
Fünfzig Jahre später hat sich die Zahl der Abiturienten in Baden-Württemberg vervierfacht. Mittlerweile wird jede dritte Abiturprüfung wird an einem beruflichen Gymnasium abgelegt.
Erneut stehen wir heute vor neuen Herausforderungen .Angesichts der rasanten Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft, den digitalen Medien und des Internets zeichnen sich Konturen einer Bildungsrevolution ab, die das Bildungssystem massiv betreffen werden. Mit Fragen, wie Bildung und Schule umgestaltet werden müssen, damit sie zukunftsfähig sind, setzt sich Prof. Dr. Olaf-Axel Burow von der Universität Kassel auseinander, den wir als zweiten Gastredner eingeladen hatten.
Die neuen Medien, klug eingesetzt, befähigen Bildungsinstitutionen, unabhängig von Ort und Zeit, die besten Lehrpersonen und Lernmaterialien online zur Verfügung zu stellen. Und wenn Lernende und Studierende auch in die Produktion von Lernmaterialien einbezogen werden, ergibt sich ein vielfältig vernetztes Synergiefeld von Menschen und Gruppen mit all ihren Fähigkeiten.
Nach Prof. Burow müssen wir uns verabschieden von auswendig gelerntem Wissen und müssen unsere Schülerinnen und Schüler befähigen, kreative Lösungen zu finden.
Die Gesellschaft habe sich rasant verändert, das Bildungssystem dagegen bliebe weitgehend konstant und ist geprägt durch Belastungen sowohl auf der Seite der Kinder als auch auf der Seite der Lehrerinnen und Lehrer.
Hier stehen wir vor neuen großen Herausforderungen, denen wir uns am Technischen Gymnasium stellen werden. Schulentwicklung, alternative Lernkonzepte, natives Lernen, individuelle Förderung, Integration von Flüchtlingen, Industrie 4.0, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Wir danken allen Rednerinnen und Rednern für die hochinteressanten Impulse und natürlich auch für das Lob, welches wir bekommen haben.
Am Ende konnten die interessanten Gespräche bei einem kleinen Umtrunk fortgesetzt werden.
Wir freuen uns über den gelungenen Abend und bedanken uns auch ganz herzlich bei unsern Schülerinnen und Schülern für die wunderschöne musikalische Untermalung.
Zum TG-Jubiläum lesen Sie auch den Artikel in der Badischen Zeitung vom 29.9.2017