Erinnerung eines Überlebenden
...zwei Stunden lang den Worten eines 85jährigen Mannes: Paul Niedermann, der 1927 in Karlsruhe geboren wurde und 1940 mit seiner Familie nach Gurs deportiert wurde, erzählte im Vortragssaal unserer Schule seine Lebensgeschichte.

Lebendiger und eindringlicher als es jedes Buch vermag, schilderte Paul Niedermann, der seit dem Kriegsende in Paris lebt, was ihm und seiner Familie zur Zeit des Nationalsozialismus widerfuhr. Detailliert und prägnant erzählte er von dem Moment, als er von seinem Klassenlehrer als jüdisches Kind der Schule verwiesen wurde, unter welch schwierigen Bedingungen jüdische Schüler in provisorisch eingerichteten „jüdischen Schulen“ unterrichtet wurden, wie er die „Reichskristallnacht“ erlebte und schließlich die entsetzlichen Bedingungen, unter denen seine Familie zusammen mit tausenden anderen in einer tagelangen Zugfahrt in verschlossenen Waggons ins südfranzösische Lager Gurs deportiert wurde.
Die anschauliche Beschreibung der menschenunwürdigen Lebensbedingungen in Gurs gehörten zu dem Teil seines Vortrages, der für die Zuhörenden am schwersten zu ertragen war.

Aber auch von den Hintergründen dieser Ereignisse berichtete Paul Niedermann so anschaulich, dass sie sich den im Saal Zuhörenden tief einprägten: Welcher Bürgerkrieg in Spanien getobt hatte, der erst zur Errichtung des Auffanglagers in Gurs geführt hatte. Wie die französische Vichy-Regierung aus dem Auffanglager in Gurs für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Spanien ein Konzentrationslager gemacht hatte („Einfach Stacheldraht drumherum und fertig.“). Wie die Zusammenarbeit zwischen deutschen Besatzern und Franzosen denn im Einzelnen aussah.
Paul Niedermann wurde zusammen mit seinem Bruder und einigen anderen Kindern aus dem Lager gerettet. Die abenteuerliche Flucht wurde von der jüdischen Untergrundorganisation OSE (Œuvre de secours aux enfants) organisiert. Aber er musste seine Eltern zurück lassen, die von Gurs aus quer durch Europa in die Vernichtungslager in Polen transportiert und dort ermordet wurden.
Gerne hätten wir noch mehr darüber gehört, wie sich Paul Niedermanns Leben nach dem Ende des Krieges weiter entwickelt hat, aber die zwei Stunden waren viel zu schnell um, was viele im Saal bedauerten. Tröstlicherweise hatte er sein biographisches Buch „Auf Hass lässt sich nicht bauen“ mitgebracht, dass er auf Wunsch auch signierte.
Wir sind sehr froh, die Gelegenheit gehabt zu haben, einem der letzten noch lebenden Zeitzeugen dieser Ereignisse zuhören zu dürfen und möchten uns das Motto, das er seinem Buch vorangestellt hat, zu Herzen nehmen:
Solange ich lebe,
kann ich gegen Ungerechtigkeit
und Vergessen aufschreien.
Wenn ich und meine Generation
nicht mehr da sind, dann
liegt das bei euch.